03.06.2012
Von Jeff Nyquist
Wie schlimm ist die finanzielle Lage in Europa? Griechenland könnte kurz davor stehen, die Euro-Zone zu verlassen. Es gibt jedoch auch Stimmen, die das anders sehen. Die Economic Times of India veröffentlichte ein Interview mit Jean Lemierre, dem Chef-Unterhändler für Privatgläubiger beim Rettungsplan für Griechenland. Laut Lemierre steht für Griechenland zu viel auf dem Spiel und die »Mehrheit der politischen Parteien sprechen sich für den Euro aus«. Andererseits berichtet der Boston Globe, dass Bundesbankpräsident Jens Weidmann die europäischen Zentralbanken vor einer Ausweitung ihres Engagements in Griechenland gewarnt hat, und zwar aufgrund der politischen Unsicherheiten.
Wie groß ist die Gefahr? Für jene, die in der Hoffnung leben und sich an wirtschaftlichen Optimismus klammern, gibt es nichts zu fürchten, außer die Furcht selbst. Aber jene, die den Linksrutsch der europäischen Wirtschaftspolitik verstehen und den damit einhergehenden unvermeidbaren Bankrott erkennen, gibt es keinerlei Unklarheiten. Jedem Euro-Land steht die Insolvenz bevor und Griechenland ist nur der Erste in der Reihe.
Die Optimisten geben sich jedoch tapfer. Sie hören Lemierre’s beruhigende Worte – und diese Worte werden auch unablässig wiederholt. Bloomberg News berichtet, der Euro habe »die schwerste Finanzkrise seit der Weltwirtschaftskrise überstanden ...« Über solche Krisen braucht man sich natürlich keine Sorgen machen, schließlich gehen die Menschen und die Währungen immer gestärkt daraus hervor. Es ist auch nicht weiter tragisch, dass der Euro an Wert verloren hat. Er liegt ja immer noch über dem Dollar, wo er wahrscheinlich auch bleiben wird. Oder gibt es etwa irgendeine ernstzunehmende Autorität, die davor warnt, dass Griechenland eine ganze Reihe weiterer Euro-Austritte nach sich ziehen wird?
Der Wirtschaftswissenschaftler Nouriel Roubini hat einen Sinn für kommende Entwicklungen. Er sagte schon den Crash von 2008 korrekt voraus und jetzt hat er einen Artikel verfasst mit dem Titel Griechenland muss raus aus dem Euro. Laut Roubini ist es lediglich eine Frage der Zeit – »entweder in diesem oder im nächsten Jahr wird Griechenland sehr wahrscheinlich zahlungsunfähig und aus der Euro-Zone aussteigen.« Roubini schreibt, dass die Politik der Sparmaßnahmen und Strukturreformen gescheitert ist, denn damit werde sich die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands nicht wieder herstellen lassen. Als einziger Ausweg bleibt nur eine saubere Insolvenz und ein Ausstieg aus dem Euro. »Griechenland kann nicht ein Jahrzehnt lang in der Depression bleiben«, so Roubini. »Ebenso würde eine schnelle Deflation der Preise und Löhne, die als ›interne Abwertung‹ bekannt ist, über die nächsten fünf Jahre hinweg zu einer immer tieferen Depression führen.« Was aber wären die Konsequenzen eines Euro-Ausstiegs?
Roubini räumt ein, dass ein Verzicht auf den Euro für Griechenland »traumatisch« würde. Es wäre ein harter Übergang, aber er würde eine schnellere Erholung des Landes zulassen. Roubini verweist auf das Beispiel Argentiniens. Es lässt sich nicht bestreiten, dass die 17 Nationen, aus denen sich die Euro-Zone zusammensetzt, souveräne Staaten sind, und diese Staaten können ihren eigenen Weg wählen. Portugal, Spanien und Italien sind bereits in einer schweren Finanzkrise gefangen. Ob diese Staaten strenge Sparmaßnahmen erdulden werden, nur um den Euro beizubehalten? »Genau wie in einer zum Scheitern verurteilten Ehe«, erklärt Roubini, »ist es besser, Regeln für die unvermeidbare Scheidung zu haben, welche die Trennung für beide Seiten weniger kostspielig macht.«
Wenn wir Roubini’s Analyse folgen, wird es mehr als einen Ausstieg aus dem Euro geben. Die zu erwartende Kette von Ereignissen würde den Wert des Euro wahrscheinlich reduzieren, was für Deutschland nicht akzeptabel wäre. In einer solchen Situation könnte Deutschland die europäische Währung auch komplett aufgeben. Der große soziale Vordenker und Ökonom Max Weber schrieb in Wirtschaft und Gesellschaft, dass radikale Veränderungen im substanziellen Wert des Geldes eine chronische Tendenz hin zur sozialen Revolution erzeugen. Und weiter führte er aus, »zurecht oder zu unrecht können einige hoffen, dass diese Tendenz zur Umwandlung einer Marktwirtschaft in den Sozialismus führt.«
Quelle: Kopp Verlag
Euro: Die Medien stimmen weltweit den Nachruf an
4. 6. 2012
Von Gerhard Spannbauer
Wenn die großen „Kapitäne“ aus Finanz, Politik und Wirtschaft offen vom Crash reden, sollte man aufmerksam werden. Diese Leute blamieren sich nicht gern. Sie sind sich offenbar ihrer Sache ziemlich sicher, und haben auch entsprechende Einblicke.
Alessandro Profumo, italienischer Spitzenbanker, bezeichnete die Lage der EU folgendermaßen: „Wir stehen am Rande des Abgrunds. … Das Risiko, dass die Eurozone auseinanderfällt, wächst von Tag zu Tag.“
Mario Draghi, Chef der EZB, sagt es klipp und klar: “Die Eurozone ist nicht aufrecht zu erhalten“ („Eurozone is ‘unsustainable’ warns Mariio Draghi“). … Die Eurozone sei an dem Punkt angekommen, wo sie sich auflöse. Das nenne ich einen super Lernerfolg; am 14.06.2008 wurde er so zitiert: „Probleme im Bankensektor bedeuten keine ernsthafte Bedrohung für die Gesamtwirtschaft mehr.“
Der Manager des weltgrößten Anleihefonds PIMCO, Bill Gross, rät Investoren sogar, einen großen Bogen um ganz Europa zu machen.
Es bleibt nicht beim Lamentieren, die Warnungen werden Wirklichkeit, die „Marktteilnehmer“ handeln bereits. Die großen Investoren ziehen seit geraumer Zeit massenhaft Gelder aus den Südlichen Ländern ab, die Sparer räumen ihre Konten leer.
Nun wachen auch die Giganten der Weltmärkte auf
Die Schwellenländer, vornehmlich die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China), werfen ihre Eurobestände auf den Markt. Bisher wurde ein Kursrückgang des Euro immer gern benutzt, um die Devisenbestände aufzustocken und die Währung zu stützen. Gerade diese großen Länder haben immer eine gewisse Abneigung gegen die USA und deren Weltleitwährung Dollar gehegt, und auch aus diesem Grund den Euro gegen den Dollar gestützt. Europa hatte in diesen Staaten lange wohlwollende Verbündete – das ist vorbei. Man reduziert die Eurobestände kontrolliert aber stetig. Ein Beweis, dass das Vertrauen in die Eurozone weltweit schwindet.
Auch andere Zentralbanken fahren weltweit ihr Engagement in Euro zurück und minimieren damit ihr Risiko. Man beurteilt die Lage der EU als äußerst prekär. Spanien ist eine große Volkswirtschaft und bietet sowohl mit seinen Staatsschulden als auch mit seinen vollkommen maroden Banken und einer katastrophalen Wirtschaftsstruktur ein hoffnungsloses Bild. Griechenland könnte in zwei Wochen in eine Katastrophe schlittern, Portugal wird um ein neues Hilfspaket nicht herumkommen, so desolat sind die Verhältnisse. Und nun muss auch noch Zypern unter den Rettungsschirm – wahrscheinlich noch in diesem Monat.
Selbst unsere Bundeskanzlerin sieht einen Flächenbrand auf sich zu rollen. Die europäische Wirtschaft bricht zur Zeit spürbar ein, es könnte ganz schnell zu einem Kollaps, zu Bankruns und einem Eurocrash kommen. Das würde die gesamte Weltwirtschaft und Weltfinanzwirtschaft mit umreißen.
Wie verzweifelt die Lage sein muss, lässt sich an den schon panisch klingenden Appellen unserer großen Kanzlerin ablesen, die ja bisher tapfer die Realität verleugnete und den Euro zu einer Erfolgsstory und einem alternativlosen Friedensprojekt hochjubelte. Der Kollaps muss in greifbare Nähe gerückt sein, denn sie ruft zum letzten Gefecht auf: „Keine Tabus mehr im Kampf um den Euro!”
Nur – was soll das eigentlich bedeuten?
Ganz einfach: Das heißt nichts anderes, als das alle Vorschriften, Versprechen und Verträge, die bisher noch nicht gebrochen worden sind, jetzt aber endgültig zur Disposition stehen. Eurobonds, Transferunion, ESM-Aufstockung, mörderische Steuern und Abgaben für Steuerzahler, direkte Finanzierung der Banken durch die EZB, Gelddruckerei ohne Limit, das ganze Sortiment an Wahnsinnsaktionen wird jetzt auf den Verhandlungstisch kommen.
Helfen wird auch das alles nicht. Die Verwüstungen der allgemeinen Schuldenorgien sind nicht mehr zu beheben.
Es sieht doch so aus: überschuldete Staaten versuchen insolvente Banken zu retten, indem sie sich dafür noch mehr Geld zu immer höheren Zinsen leihen. Davon werden diese Staaten noch überschuldeter und bankrotter, und bekommen kaum noch Geld auf dem Markt. Deshalb müssen die geretteten und noch zu rettenden Banken möglichst viele Staatsanleihen der insolventen Länder aufkaufen, um die Staaten zu stützen. Das bringt wieder die Banken in große Gefahr. Klingt das nach einem guten Plan?
Man wird vielleicht noch etwas Zeit gewinnen. Auf Kosten der Menschen natürlich. Hollande wird in Frankreich eine saftige Vermögenssteuer einführen, in Spanien wird auch schon über diesen Schritt nachgedacht, und gerade in Deutschland, dessen Bürger immer schon sparsam und vermögend waren, winkt fette Beute.
Doch auch die Bürger wachen auf. Vor den Edelmetallhäusern bilden sich wieder Schlangen. Viele verstehen jetzt, dass die einlullenden „Alles-wird-gut-Meldungen“ vom Frühjahr, die Euro-Krise sein gelöst, nur ein schöner Traum waren. So verzeichnete Gold am Freitag den größten Tagesgewinn seit über drei Jahren. Um fast vier Prozent stieg es innerhalb eines Tages und sprang wieder deutlich über die 1300 Euro-Grenze. Auch Silber konnte kräftig zulegen. Nicolai-Tietze von der Deutsche Bank X-Markets hält 2000 Euro für eine Unze Gold zum Jahresende für durchaus realistisch.
Wer sein Vermögen noch in anonymes, unvergängliches Edelmetall umschichten will, dessen Wert jeden Crash übersteht, der sollte sich beeilen. Die Preise werden wieder anziehen, und der Euroverfall schreitet fort. Was die Euroentwertung und Gelddruckerei nicht vernichtet, das wird sich eine EU im ausgerufenen „tabulosen Kampf“ gegen den Untergang von ihren Bürgern holen.